Rückblick 2024

den Truppen der neuen Regierung und anderer bewaffneter Gruppen auf, und religiöse, kulturelle und ethnische Minderheiten wie etwa die Drusen werden bedrängt. Vor allem aber sind es die Nachbarländer und andere Hegemonialmächte, die ihren Einfluss teils mit militärischer Gewalt geltend machen. Das türkische Militär geht im Norden gewaltsam gegen kurdische Gruppen vor, der Iran unterstützt islamistische Milizen im Land, und der israelisch-iranische Krieg wird auch auf syrischem Boden und in syrischem Luftraum ausgetragen. Die anhaltenden Konflikte in Syrien stehen exemplarisch für die wachsende Zahl von Kriegen, die nicht mehr nur zwischen Nationalstaaten geführt werden, sondern in die mehrere staatliche wie nichtstaatliche Akteure verwickelt sind. Wenn aber Kriege nicht mehr mit einem Friedensschluss zwischen den beteiligten Staaten beendet werden können, sondern schleichend fortgeführt werden: Wie können die kriegsbetroffenen © Oleksii Filippov | UNICEF Helfen allein nach dem Maß der Not Die Bedingungen, unter denen prinzipienorientierte humanitäre Hilfe weltweit geleistet wird, sind oft komplex. Die Komplexität nimmt zu, wenn diese Hilfe während bewaffneter Konflikte im Sinne unserer Grundsätze unparteiisch, neutral und unabhängig geleistet werden muss. Auch 2024 musste das DRK in vielen bewaffneten Konflikten tätig werden. In bewaffneten Konflikten wie im Sudan, in Israel und den Palästinensischen Gebieten oder der Ukraine geraten immer häufiger Helfende, die mit großen Einsatz Not lindern und ihr Leben für andere riskieren, selbst in die Schusslinie. Zunehmend kommen Konfliktparteien auch ihrer Pflicht nicht nach, humanitäre Hilfe im ausreichenden Maße für die Zivilbevölkerung zu ermöglichen. Menschen in größter existenzieller Not erhalten so noch weniger oder gar keine Hilfe, da der sichere Zugang zu Menschen essenziell für unsere Hilfe ist. Auch in bewaffneten Konflikten unternehmen wir als Deutsches Rotes Kreuz (DRK) alles, um unserer Kernaufgabe nachzukommen: Menschen allein nach dem Maß der Not zu helfen. Das tun wir vor allem, indem wir mit unseren nationalen Schwestergesellschaften vertrauensvoll zusammenarbeiten und lokale Strukturen stärken. Schließlich kennen die lokal Helfenden die Bedarfe am besten, wissen um örtliche Besonderheiten und treffen auf mehr Akzeptanz. So gelingt es uns selbst unter schwierigsten Bedingungen, notleidenden Menschen beizustehen – unparteiisch, neutral und unabhängig. Nur dank der Akzeptanz dieser humanitären Grundsätze durch die Konfliktparteien und der betroffenen Gemeinden erhält die Internationale Rotkreuz- und RothalbmondBewegung oftmals und mitunter als einzige Zugang zu Konfliktgebieten und betroffenen Menschen wie Geiseln. Dennoch muss man konstatieren, dass sich die Bedingungen für humanitäre Hilfe in letzter Zeit in vielen Regionen verschlechtert haben. Die Antwort darauf darf aber nicht sein, dass wir pauschal unsere Hilfsbereitschaft herunterfahren und notleidende Menschen im Stich lassen. Wir stehen auch diesen Menschen in ihrer Not bestmöglich verlässlich zur Seite – gestern, heute und auch in Zukunft. CHRISTOF JOHNEN ist Leiter des Bereichs Internationale Zusammenarbeit beim Deutschen Roten Kreuz. >> 5

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